Sparpolitik unter Präsident Milei: Argentinien probt den Aufstand

Mit Generalstreik protestieren Ar­gen­ti­nie­r*in­nen gegen den Wirtschaftskurs Javier Mileis. Im Fokus stehen Arbeitnehmerrechte und Entlassungen.

Ein Mann geht an Plakaten mit der Aufschrift: "Generalstreik" vorbei

Mit Plakaten hatten die Gewerkschaften in Argentinien zum Streik aufgerufen – hier in der Hauptstadt Buenos Aires Foto: Agustin Marcarian/Reuters

BUENOS AIRES taz | Ein Generalstreik hat Argentinien am Donnerstag gelähmt. Der Gewerkschaftsdachverband CGT hatte zu einem 24-stündigen Ausstand aufgerufen. Der Protest richtete sich gegen die rigorose Sparpolitik des libertären Präsidenten Javier Milei. Es war bereits der zweite Generalstreik, mit dem der Präsident in den fünf Monaten seiner Amtszeit konfrontiert war.

Während die Gewerkschaften in der Hauptstadt Buenos Aires auf Kundgebungen verzichteten, wurden aus einigen Städten kleinere Demonstrationen gemeldet. U- und S-Bahnen blieben in den Depots, Flugzeuge am Boden. Behörden und Ämter blieben geschlossen, ebenso die Banken.

Von den öffentlichen Schulen war die große Mehrzahl geschlossen, private Bildungseinrichtungen hatten geöffnet. Die meisten Supermärkte, Shoppingzentren und Geschäfte hatten geöffnet. Vielerorts herrschte jedoch eine Art Sonntagsstimmung, da viele Menschen zu Hause blieben.

Von den 340 Buslinien in und um Buenos Aires waren knapp 50 Buslinien in Betrieb, die diejenigen, die arbeiten wollten, zumindest in die Nähe ihres Arbeitsplatzes brachten. Viele Unternehmen hatten Transportdienste für ihre Mitarbeitenden organisiert.

„Dies ist ein Generalstreik der Gewerkschaftsbosse und nicht der Arbeitnehmer“, erklärte ein zur Arbeit Eilender im Vorbeigehen. Als hätte Präsident Milei den Satz gehört, schickte er den Tag über flotte Sprüche und Memes zum Streik über die Plattform X.

Widerstand gegen Arbeitsrechtsreform

Das Ausmaß der Streikbeteiligung ist schwer abzuschätzen. Ohne öffentliche Verkehrsmittel ist es für viele Beschäftigte nicht möglich, zur Arbeit zu kommen. Ebenso offen ist, ob und wie viele von ihrem Arbeitgeber gezwungen wurden, zur Arbeit zu erscheinen, wie die Gewerkschaften behaupten. Am Ende zog die CGT eine positive Bilanz.

„Der Erfolg des Streiks ist darauf zurückzuführen, dass er sozial und politisch unterstützt wurde. Es ist ein politischer Streik, denn wir diskutieren über alle Maßnahmen, die unserem Land schaden. Die Regierung muss dies zur Kenntnis nehmen, um ihre Anpassungspolitik zu korrigieren“, erklärte Héctor Daer vom Gewerkschaftsvorstand.

Der Streik richtete sich unter anderem gegen das große Gesetzespaket, dem letzte Woche das Abgeordnetenhaus zugestimt hatte und das derzeit im Senat debattiert wird. Insbesondere die darin enthaltene Arbeitsrechtsreform wird von den Gewerkschaften kritisiert. Die Einführung einer neuen Kategorie von Selbstständigen würde formale Arbeitsverträge umgehen und die Zahlung von Mindestlöhnen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld aushebeln.

50.000 Arbeitsplätze bereits verloren gegangen

Befürchtet wird auch eine Entlassungswelle im Zuge der Privatisierung staatlicher Unternehmen, um sie für den Verkauf attraktiver zu machen. In den ersten vier Monaten von Mileis Amtszeit haben mindestens 15.000 Staatangestellte ihren Arbeitsplatz verloren, da ihre Arbeitsverträge nicht verlängert wurden. Nach Schätzungen der Gewerkschaften sind in der Privatwirtschaft rund 50.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.

Wie dramatisch die Situation in einzelnen Branchen ist, zeigen die am Mittwoch von der nationalen Statistikbehörde Indec veröffentlichten Daten. Die Industrieproduktion ist im Vergleich zum April letzten Jahres um 21 Prozent gesunken, während das Baugewerbe im gleichen Zeitraum einen Rückgang um 42 Prozent aufweist.

Dramatisch ist auch der Kaufkraftverlust der Einkommen. Während die Löhne und Gehälter der formal Beschäftigten in den ersten vier Monaten nach Mileis Amtsantritt um knapp 58 Prozent stiegen, stiegen die Preise um 90 Prozent. Immer mehr Menschen kommen trotz einer formalen Beschäftigung mit ihrem Verdienst nicht mehr aus bis zum Monatsende.

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