Wahlen in Sachsen: Im Wahljahr drohen rechte Allianzen

In Sachsen vernetzen sich rechte Gruppen weiter, warnt das Kulturbüro. Auch der mutmaßliche Angreifer auf SPD-Mann Ecke soll bei einer aktiv sein.

Demonstration der Freien Sachsen in Chemnitz vor Karl-Marx-Statue

Die Freien Sachsen marschieren im März diesen Jahres durch Chemnitz Foto: Matthias Rietschel/reuters

DRESDEN taz | Die Vorstellung des jährlichen Berichtes „Sachsen rechts unten“ aus dem Kulturbüro Sachsen fällt zufällig mit der Eskalation der Gewalt gegen Politiker insbesondere in Dresden zusammen. Mit Informationen aus den fünf regionalen mobilen Beratungsteams verfasst das Büro regelmäßig Einschätzungen der rechten Szenen in Sachsen. Wenn nun bekannt wurde, dass der vermutliche Haupttäter des Angriffs gegen den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke rechten Kreisen zuzuordnen ist, wirkt die am Dienstag vorgestellte Broschüre aber überraschend aktuell. Denn gleich der erste Beitrag widmet sich ausführlich Szene-Vernetzungen und Allianzen der AfD.

Der 17-jährige Quentin J., der sich in der Nacht zum Sonntag gemeinsam mit seiner Mutter der Polizei gestellt hatte, soll laut Landeskriminalamt der Gruppe „Elblandrevolte“ angehören – einer seit Jahresbeginn aktiven Neonazi-Gruppe aus Dresden aus dem Umfeld der früheren NPD-Jugend, die laut Antifa-Recherchen zehn Kernmitglieder umfasst.

Dem Kulturbüro stehen nicht die Ressourcen des Verfassungsschutzes zur Verfügung, um die gesamte Breite nationalistisch-antidemokratischer Strömungen bis hinunter zu solchen Kleingruppen zu erfassen. Geschäftsführer Michael Nattke hat vor allem die verdeckten Allianzen zwischen AfD, den „Freien Sachsen“ und der „Heimat“, der früheren NPD, genauer betrachtet. Letztere sei „komplett wieder da“, meist unter dem Dach der „Freien Sachsen“, deren Vizevorsitzender Stefan Hartung NPD-Funktionär im Erzgebirge war, warnt Nattke. Sie bringe auch frühere Kontakte aus der gesamten Bundesrepublik ein.

AfD und „Freie Sachsen“ nur scheinbar Konkurrenten

„Es geht überhaupt nicht darum, wer hier irgendwo in welcher Partei ist, es geht darum, ob ihr die Liebe zum Vaterland habt“, wird entsprechend die AfD-Bundestagsabgeordnete Carolin Bachmann aus Freiberg im Bericht zitiert, aus einer Rede im Januar dieses Jahres auf einer Demonstration der rechtsextremen „Freien Sachsen“ in Dresden. Die vom fanatischen Chemnitzer Anwalt Martin Kohlmann geführten „Freien Sachsen“ aus dem Erzgebirge haben zwar nur knapp tausend Mitglieder, entfaltet aber eine enorme Vernetzungs- und Organisationswirkung.

Solche an gemeinsamen Veranstaltungen ablesbaren Allianzen hält Michael Nattke für neu und gefährlich. Die Freien Sachsen schließen nämlich Mehrfachmitgliedschaften ausdrücklich nicht aus, folgen eher dem Motto „getrennt marschieren, vereint schlagen“. Nur scheinbar konkurrieren sie mit der AfD. Die Wahlergebnisse beider Parteien addieren sich vielmehr zu rechten Fronten. Bei der Landratswahl 2022 stellten die Freien Sachsen im Erzgebirge, der Sächsischen Schweiz und in Nordsachsen Kandidaten auf, die niemand kannte, erreichten aber auf Anhieb zweistellige Ergebnisse. Kohlmann sieht in solchen kommunalen Vorposten die Basis für nächsthöhere Wahlen.

Bürgerinitiativen mischen mit

Begünstigt werden solche Wahlergebnisse durch Vorfeldarbeit in die Gesellschaft hinein wie etwa in erzgebirgischen Heimatvereinen oder bei der Obdachlosenhilfe. Nach Einschätzung Nattkes lassen sich Wähler auch nicht mehr durch die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem abschrecken, wie die Umfragen zeigen. Einschüchterung, ja Terror, insbesondere gegen Kommunalpolitiker würden in der Bevölkerung auch immer mehr hingenommen. „Eine solche Situation gab es zuvor noch nicht“, konstatiert der Kulturbüro-Chef. Der CDU bescheinigte er, nur in seltenen Ausnahmefällen in Kommunalparlamenten mit der AfD gestimmt zu haben.

Bildungsreferent Vince von Gynz-Rekowski widmet sein Kapitel der Desinformationsstrategie der AfD und rechter Gruppen, mit Lügen, Scheinwahrheiten und Simulationen ein Bedrohungsklima und damit Ressentiments gegen Fremde und Andersdenkende zu erzeugen. Nur ein Beispiel ist eine angebliche Messerattacke in Bautzen. Wichtigstes Medien dabei sind die so genannten Sozialen Medien, voran Instagram. Es bleibe allerdings Spekulation, ob man dabei von russischen Methoden lerne oder gar mit FSB-Kreisen zusammenarbeite.

Ein Beitrag zum Landkreis Leipzig zeigt unter anderem, dass populäre Bezeichnungen aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung geschickt missbraucht werden. Das „Neue Forum für Wurzen“ konnte beispielsweise 2019 bei Stadtratswahlen fast 11 Prozent Stimmenanteile erringen. „Ein Sommer des Antifeminismus“ und „Ordnungspolitische Einbahnstraße“ sind zwei Vogtland-Beiträge überschrieben.

Mit Blick auf die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen bescheinigt die Analyse des Kulturbüros den Freien Sachsen eine besondere Anschlussfähigkeit an so genannte Bürgerinitiativen, die von Generalfrust oder Umsturzfantasien geprägt sind. Obschon noch nicht klar ist, ob die „Freien Sachsen“ am 1. September antreten, träumt ihr Vorsitzender Kohlmann schon von einer Koalition aus AfD, Freien Sachsen und Werteunion. Die AfD gewinne mit absehbar mehr als einem Viertel der Wählerstimmen erstmals eine reale Machtoption. Auch wenn ihr Zugriff verhindert werden könne, werde der Druck auf bedrohte Gruppen wie Geflüchtete, liberale Politiker, queere Personen oder freie Künstler noch jahrelang anhalten, warnt das Kulturbüro.

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